Eine der häufigsten Fragen, die ich bekomme, ist in der Regel: „Was ist eine Tudor Uhr?“ oder „Ist das eine Rolex?“
Mal der Reihe nach: Was ist eine Tudor Uhr?
Tudor ist eine eigenständige Marke und ein Hersteller von Armbanduhren, die zu 100 % im Besitz von Rolex ist.
Rolex etablierte im Laufe der Jahre verschiedene Handelsmarken, darunter Aqua, Genex, Rolco, Rolwatco, Unicorn, Marconi und Oyster. Diese Marken waren klassische Marketing-Maßnahmen, um den Marktanteil zu erhöhen. Heute ist Tudor die einzige übrig gebliebene Marke unter der Schirmherrschaft von Rolex.
Bereits 1926 wurde die Marke „The Tudor“ eingetragen, und 1936 erwarb Rolex-Gründer Hans Wilsdorf die Rechte an dieser Marke. Wilsdorf hatte die Vision, eine Uhr zu schaffen, die die gleiche Zuverlässigkeit wie eine Rolex bietet, aber zu einem günstigeren Preis auf dem Markt erhältlich ist. Diese Vision setzte er 1946 in Form der Tochtergesellschaft Montres Tudor SA um, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen wurde.
Im Rückblick war diese Diversifikation ein visionärer Schritt: Kein anderer Konkurrent von Rolex dachte damals daran, den Herstellungsprozess so zu optimieren, dass neue Preissegmente erschlossen werden konnten. Diese Strategie ist heutzutage auch bei anderen hochwertigen Uhrenmarken üblich.
Die ersten Tudor-Modelle waren im Wesentlichen Rolex-Uhren, die mit abweichenden Uhrwerken ausgestattet wurden – diese stammten von der Schweizer Ebauches SA (heute ETA). Die Gehäuse von Tudor waren denen der Rolex-Modelle sehr ähnlich und wurden oft als „Rolex Oyster-Gehäuse“ verkauft. Auch die Gläser waren in den Anfangsjahren bei Tudor und Rolex oft identisch. Viele Tudor-Modelle, die bis in die 1990er Jahre verkauft wurden, hatten noch Rolex-Armbänder und Aufzugskronen.
Die Tudor-Kollektion lässt sich bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückverfolgen. Die erste Tudor-Uhr stammt aus den 1940er Jahren und nutzte ein Kaliber 59. Auch heute noch wird die Tudor-Kollektion unter strenger Aufsicht von Rolex produziert. Die Philosophie hinter Tudor ist es, eine Uhr in Rolex-Qualität zu einem niedrigeren Preis anzubieten – eine Strategie, die äußerst erfolgreich war. Heute sind Tudor-Uhren weltweit gefragt und geschätzt.
Ein Paradebeispiel für die Tudor-Philosophie ist die Tudor Submariner. Frühe Modelle verwendeten ein modifiziertes Fleurier-Kaliber 350, das später zu einem Tudor-Kaliber 390 umgearbeitet wurde. Dieses Kaliber wird oft fälschlicherweise als „Rolex Kaliber“ bezeichnet, obwohl die beiden Kaliber sich lediglich sehr ähnlich sind.
Mitte bis Ende der 1960er Jahre wechselte Rolex zu einem neuen Zulieferer für die Basiskaliber: Die Ebauches SA wurde zur heutigen ETA SA Manufacture Horlogère Suisse, die bis heute die Basiskaliber für Tudor liefert.
Die frühen Tudor Submariner Modelle sind mittlerweile sehr begehrte Sammlerstücke und haben eine hohe Wertsteigerung erfahren. Die steigende Beliebtheit von Tudor hat jedoch auch Fälschungen hervorgebracht, die besonders in Fernost produziert werden. Bei genauerer Betrachtung lassen sich diese Fälschungen jedoch oft relativ leicht erkennen. Fälschungen gibt es heute nicht nur von Vintage-Modellen, sondern auch von aktuellen Serien wie dem Heritage Chronograph oder der Heritage Black Bay.
Weitere beliebte Tudor-Modelle sind die Chronographen, wie der Monte Carlo Chrono oder die Big Block Modelle, sowie die Ranger-Modelle, die vom Erfolg der Rolex Explorer 1 Ref. 1016 inspiriert wurden. Die Rolex Explorer und die Tudor Ranger teilen sich das gleiche Gehäuse und haben ein sehr ähnliches Design.
Ist eine Tudor Uhr jetzt eine „echte“ Rolex?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich sind sie definitiv Rolex-Uhren – sie wurden von derselben Firma entwickelt und sind unter der Aufsicht von Rolex gefertigt. Dennoch sind Tudor-Uhren einzigartig und haben ihren eigenen Platz im Markt. Sie verfügen über eine lange Tradition und spiegeln die Geschichte von Rolex wider.
Es gibt einige Sammler, die sich über das verbaute ETA-Kaliber in den Tudor-Uhren beschweren. Hier möchte ich jedoch auf das Phänomen der Rolex Daytona hinweisen: Bis 1988 verwendete Rolex in der Daytona ebenfalls ein modifiziertes Ebauche-Uhrwerk. Diese Tatsache tut dem Ruf der Rolex Daytona keinen Abbruch. Auch Tudor-Uhren sind „echte“ Uhren, die eine Geschichte haben und sich auf dem Markt behaupten.
Kurz gesagt, eine Tudor ist nicht dasselbe wie eine Rolex, aber sie profitieren von der Expertise und dem Ruf von Rolex und bieten ähnliche Qualität und Präzision.